Jemen, Sudan, Ägypten

5. bis 22. März 2008. Ganz 17 Tage hatten wir es in einem Land ausgehalten, das wir eigentlich gar nicht besuchen wollten. Nur Aden war eingeplant, als kurzer Stopp zum Auftanken und Einkaufen. Doch üblicherweise kommt es anders als geplant. Jemen war einer unserer Höhepunkte auf dieser Reise. Die Freundlichkeit der Menschen war beeindruckend: „Willkommen in Jemen!“, „Wie gefällt Ihnen Jemen?“, hörten wir einige Male. Einer nahm Kilian plus kaputtem Schuh mit zum Schuster für eine kostenlose Reparatur, einfach so. Jemen war auch das erste Land, in dem wir unser Dinghy abends nicht aufs Deck zogen. Die Menschen hier waren ehrlich und man musste nicht befürchten, dass am Morgen der Außenborder fehlte.

In Al Mukalla, unserem ersten Hafen, fühlten wir uns wie in Tausend und einer Nacht. Die Männer in Wickelrock und Sakko, oft noch den Dolch im Gürtel, die Frauen in der schwarzen Abaya (schwarzer Übermantel), nur die Augen waren zu sehen. Ab mittags sahen die Männer aus, als hätten sie einen Tischtennisball in der Backe. Man kaut hier Quat, eine grüne Pflanze, die auf einem speziellen Quat-Markt verkauft wird. Das Kraut wird in der Backentasche gesammelt. Über mehrere Stunden hinweg wächst es dort zu einer großen Kugel. Angeblich wird die Masse sogar über mehrere Tage hinweg „gesammelt“. Wir konnten uns das Lachen kaum verkneifen, als wir in einem Geldwechsel-Büro waren und uns hinter den drei Bankschaltern drei seriös gekleidete Männer mit dicker Hamsterbacke entgegenblickten.

Alfred testet Quat

Tradewind und Uhuru warteten in Al Mukalla auf uns und die Kids waren glücklich, ihre Freunde wieder zu sehen. Auch Llevame ankerte hier, ein Trimaran, den wir zuletzt 2006 in Tahiti gesehen hatten. Nachdem einige mit Durchfall kämpften, blieben wir auf der sicheren Seite, bei den Grillhähnchen. Wie sehr wir die vermissten, wussten wir erst, als wir hier endlich wieder welche bekamen – super lecker mit knuspriger Haut und saftigem Fleisch. Da ließ sich leicht das fehlende Bier verschmerzen. Logischerweise gab es keine Brezen, statt dessen eine Riesenscheibe Brot, die eher einem breitgetretenem Kuhfladen ähnelte. Es wurde über offenem Feuer in einer Tonne aus Beton gebacken, an deren Innenrand der Teig klebte – wenige Minuten später war das Brot fertig.

Kilian und Robin starteten einen Lieferservice und brachten den Booten am Ankerplatz jeden Morgen frisches Baguette, das direkt von einer französischen Bäckerei hätte kommen können, so lecker war es. Steffies Geburtstag feierten wir dann zusammen mit unseren Seglerfreunden im Holiday Inn, da wir Alkohol verdorbene Westler doch etwas Wein oder Bier zum Anstoßen haben wollten. Hier durften wir zumindest unsere eigenen Wein– und Bierbestände mitbringen. Sogar einen Korkenzieher trieben sie für uns auf.

Die Crews der Tradewind, der Uhuru und der Verena bei Steffies Geburtstag in Al Mukalla

Am letzten Abend aßen wir wieder lokal, auf einer Verkehrsinsel, die mit Stühlen und Tischen ausgestattet war. Einen Meter neben uns rauschte der Stadtverkehr vorbei, auf der anderen Seite saßen Männer auf großen Bastteppichen und verfolgten gespannt ein Fußballspiel im TV – dazwischen unsere Kinder (Bella als einziges Mädchen). Ein Bild für Götter. Leider hatten wir keinen Foto dabei.

Die Strecke nach Aden gilt als die unsicherste im angeblich Piraten-verseuchten Golf von Aden. Wir hielten uns wie empfohlen 20 nm von der jemenitischen Küste entfernt in gutem Abstand zu Somalia. Die Kriegsschiff-Präsenz war beeindruckend und wir fühlten uns absolut sicher. Einmal am Morgen passierten uns drei französische Fregatten, alle in Rufbereitschaft auf Kanal 16. Erst ein paar Wochen später hörten wir in den Nachrichten von der vor Somalia gekaperten Luxusyacht.

Die Marine diverser Länder ist allzeit präsent zur Hilfe bei einem Priatenangriff

Die Einfahrt nach Aden war beeindruckend. Aden liegt in einem Krater und wirkte fortschrittlicher als Al Mukalla, empfing uns aber mit der gleichen Freundlichkeit.

Einfahrt nach Aden im Abendlicht

Wir ankerten im dicht gedrängten Ankerfeld vor dem Prince of Wales Pier, direkt vor dem berühmt-berüchtigten Seamen Club, einem Nachtclub, der uns täglich mit lautstarker Musik beschallte. In Reems Restaurant gab es wieder Grillhähnchen und das leckere Kuhfladenbrot. Alfred und Jeroen stiegen mit Hamzah, unserem – wirklich empfehlenswerten – Guide am frühen Morgen hoch zur Festung und belohnten sich mit einem herrlichen Blick über die ausgedehnte Stadt. Steffie und Lisa gingen Verproviantieren in der Aden Mall und stellten fest, dass Lulu‘s zwar ein großer Supermarkt war, aber der kleine, gut sortierte Aosan Mega Markt in Al Mukalla unseren Bedarf an Schnittkäse und Nutella besser gedeckt hätte.

Alfred und Agent Hamzah frühmorgens hoch über Aden (Foto: Tradewind)

Eines Abends gingen wir (ohne Kids) mit den Crews von Uhuru, Tradewind und Llevame in den Seamen Club. Wir erlebten ein Festival der Kuriosiäten, bei dem wir uns nicht sicher waren, ob es uns wirklich gefiel. Bei lautstarker Musik, die in unseren Ohren fremd dröhnte und jede Oktoberfest-Blaskapelle in den Schatten stellte, schmissen der lokale Geldadel und fremde Sheiks im Zehn-Minuten-Abstand bündelweise mit Geldscheinen um sich, die beflissen von den Angestellten im Eiltempo aufgesammelt wurden. Gelangweilte Prostituierte, dem Hörensagen nach aus Somalia, in schwarzer Abaya saßen Quat-kauend neben ihren Kunden, lokale Tänzerinnen tanzten auf Anordnung unter anderem auf den Tischen, der Whiskey floss in Strömen. Auf der Tanzfläche hüpften jemenitische Männer in Wickelrock, Kopfbedeckung und breitem Gürtel mit Dolch-Schaft (der Dolch muss am Eingang abgegeben werden) sowie weiß gekleidete Sheiks zusammen mit ein paar Gay-Boys im Takt der Musik umher. Wir blieben beim lange außerhalb der eigenen Bestände vermissten Bier, das es hier gab, und ergaben uns der Szenerie.

Der Ankerplatz lag direkt in der Einfahrtsroute zum Containerhafen. Eines Tages übten die Bugsier-Boote mit ihrer Wasserspritze und wir trauten unseren Augen nicht: Die Kids der Verena und der Tradewind fuhren mit dem Dinghy direkt in die Linie der übenden Boote, die teilweise ziemliche Wellen verursachten. Mit Schaudern sahen wir die vier in dem wackeligen Dinghy; die schlimmsten Bilder vor unseren Augen: kentern durch Wellen oder ein Schuss Wasser ins Boot, Überfahren werden etc. Doch wieder einmal erfuhren wir jemenitische Gastfreundschaft. Statt die Kinder schimpfend aus der Schifffahrtsstraße zu vertreiben, wurden sie heran gewunken und von der Mannschaft fotografiert. Unsere Standpauke traf logischerweise anschließend auf wenig Gehör.

Zum Abschied liefen wir noch gemeinsam mit Hamzah durch den Bazar im Ortsteil Crater. Er zeigte uns besondere Dinge wie eine Art Kleiderräuchergestell, um die Kleidung mit gutem Duft einzuräuchern, frischen Tabak und neben vielem anderen auch nette kleine Küken, ein paar Tage alt und eingefärbt. Es kam, wie es wohl kommen musste: Harry und Hedwig zogen in einen alten Hamsterkäfig der Tradewind. Hedwig, das Küken unserer Kids, wurde quasi dort in Pflege gegeben. Die Bezahlung sollte gegen die irgendwann zu erwartenden Eier erfolgen. Hamzah schleppte uns dann auch noch ins Fotostudio, um auf eigene Kosten ein Erinnerungsfoto zu schießen, mit unseren neuen Holzpaddeln, die uns ein Schreiner anfertigte, und den beiden Küken.

Die Küken werden für knapp 1 Euro als Kinderspielzeug verkauft

Gemeinsam mit Tradewind fuhren wir los ins Rote Meer. Kurze Zeit später erhielten wir über Funk die traurige Nachricht, dass unsere beiden Küken in der Nacht verstorben seien. Wir wurden schon gewarnt, dass die meisten krank seien und nicht lange leben würden, so waren wir vorbereitet. Nichtsdestotrotz hätten wir sie gerne aufgezogen und später an Land gegen Fisch eingetauscht. Tradewind organisierte schließlich für die armen Viecherl ein ordentliches Seebegräbnis und wir legten eine Trauerminute ein.

Wir können es kaum glauben: Um die 10 Orcas begleiten uns für gut eine halbe Stunde auf unserem Weg von den Malediven nach Yemen, ca. 40 nm von Socotra entfernt.

Sudan

25. März bis 5. April 2008. Tja, was soll man schreiben, über ein Land, indem wir offiziell gar nicht waren? Sudan ist mehr oder weniger ein Durchgangsrevier auf dem Weg ins Mittelmeer, ein Land, das zu bereisen zumindest uns kaum einfiele, wären wir nicht mit dem Segelboot unterwegs in einem Meer, dessen gefürchtete Nordwinde lange Passagen unbequem machen und uns nach möglichst vielen Ankermöglichkeiten suchen lassen. Die östl. Küste des Roten Meeres wollten wir nicht hochsegeln, da sie zu Saudi-Arabien gehört und nicht-muslimische Segler dort nicht gerne gesehen sind. Im Westen bestand dagegen die Möglichkeit, sich langsam hochzuarbeiten von Ankerplatz zu Ankerplatz, von Eritrea über Sudan bis nach Ägypten – hunderte von Seemeilen, in denen eine unangenehme, steile Welle, oft 35 kn Wind und ein penetranter Wüstensand unsere häufigen Begleiter waren.

Hanish Inseln: Wo bringen die uns wohl hin? Das fragten wir uns, als eine Abordnung des lokalen Militärs an den Strand kam und uns zum mitkommen aufforderten, während Kollegen unsere Beiboote mit Maschinenpistolen bewachten. Wir befürchteten schon, bald als Entführungsopfer in den Nachrichten zu erscheinen. Lösung: Steffie sollte Fotos vom Major an dessen Lieblingsstrand machen und ausdrucken

Sowohl unsere Freunde von der „Tradewind“ als auch wir hatten noch ausreichend Diesel, sodass wir weder in Massawa, Eritrea – vor allem nachdem wir von einigen Seglern gehört hatten, dass sie dort uneingeladene Besucher an Bord hatten – noch in der alten, sudanesischen Hafenstadt Suakin oder in Port Sudan zwingend stoppen mussten. Gemeinsam nahmen wir Kurs von den Hanish Islands im Jemen auf Khor Nawarat, einer großen Bucht im Sudan.

Die Sonne im Rücken, Steffie vorn am Bug mit der polarisierenden Sonnenbrille auf der Nase, tuckerten wir langsam zu unserem Ankerplatz. Die Begrüßung hätte nicht passender ausfallen können: Wie „Lawrence von Arabien“ ritt ein Beduine mit seinem Dromedar den Strand entlang. Doch wie kam er auf die Insel?

Die riesige Bucht Khor Nawarat mit seinen kleinen Inseln war ein Muschel-Eldorado. Die Einheimischen sammeln wohl die Muscheln zum Verkauf und lassen die Schalen am Ufer liegen. Wohl keinen kommerziellen Zweck hatten die Hunderte von Glühlampen, die sich überall am Strand fanden –  vermutlich eine an Land gespülte, verloren gegangene Schiffsladung. Neben „Tradewind“, das Boot voller frischem Fisch, trudelten nach einer Weile auch Felix und Monika von der „Makani“ ein. „Verena“ wurde kurzerhand zum Partyboot und wir feierten Jeroens Geburtstag in geselliger Runde mit leckerer Fischsuppe von Sascha.

Innerhalb des Riffs, das über weite Teile der sudanesischen Küste verläuft, hangelten wir uns von Ankerplatz zu Ankerplatz. Viele Marsas kamen leider für die „Verena“ nicht in Frage, zu schmal, zu flach oder zu wenig. Nach 15 Uhr stand die Sonne zu tief für eine Ansteuerung, die Korallen links und rechts der oft schmalen Einfahrten waren nicht mehr zu sehen, deshalb mussten wir genau vorausplanen. Früher als geplant frischte der Wind wieder unangenehm auf und unser Boot schlug krachend in die Welle. Tradewind ging es nicht anders und wir entschieden uns zum Stopp. Es kam nur Muhammad Qol in Frage. Wir waren unsicher, ob wir es wagen sollten. Nomaden sollten dort sesshaft geworden sein, Militär anwesend, und wir hatten nicht einklariert. Prophylaktische Schadensvermeidung wegen der rauen See und eine seekranke Besatzung machten die Wahl einfach. So hatten wir unseren ersten Kontakt mit Sudanesen. Wir wurden freundlich empfangen und durchs Dorf geführt. Keiner fragte uns nach einem Cruising Permit. Die Menschen waren arm, doch keiner bettelte. Ungefragt wühlten wir dennoch durch unsere Boote und brachten Kleidung, Flipflops, Lebensmittel und Medikamente für den Dorfarzt.

Dorfszene in Muhammad Quol, Sudan
Alfred mit Sharif, dem englisch sprechenden Security Officer

Sobald der Wind einigermaßen akzeptabel erschien, segelten wir weiter. Die Zeit drängte, wir mussten nach Norden. Wir hatten terminliche Verpflichtungen in der Türkei, „Tradewind“ in Ägypten. Die sudanesischen „Marsas“ schneiden sich wie Fjorde in die meist relativ flache Sandwüste. Wind und Sand fegen eine gelbe Schicht über das Boot, doch man liegt ohne Schwell sicher bis das nächste Wetterfenster Hoffnung auf eine Weiterfahrt macht. Tatsächlich erreichten wir dieses Mal unser geplantes Etappenziel ohne ungeplanten Zwischenstopp: Khor Shinab, ein riesiger Fjord, der sich mindestens eine Seemeile in die Landschaft schnitt. In Khor Shinab ergaben wir uns dem besonderen Charme der Eintönigkeit und spazierten stundenlang über fossile Muscheln, unzähligen Zeugen vergangener Zeiten, als der Meeresspiegel viele Meter höher lag. Am Ufer zogen ab und an Kamel-Karawanen vorbei und nachts sah man die langen Lichter der LKWs von der nahen Küstenstraße, die von Ägypten durch den Sudan bis nach Eritrea führt.

Khor Shinab, Sudan, ist ein Eldorado für Freunde fossiler Muscheln
Fossile Muscheln, Korallen und Schnecken zu Tausenden

Noch einige Male erschwischte es uns mit gut 30 Knoten, statt der angesagten 15. Sechsmal stoppten wir im Sudan. Leider war das Wasser recht trüb. Erst in der letzten Bucht, der Marsa Umbeila, bekamen wir einen ersten Eindruck von der schönen Korallenwelt.

Mittlerweile wunderte es uns auch nicht mehr, dass die Yachtversicherungen das Rote Meer aus ihrem Schutz ausschließen. Die Riffe haben es in sich. Ohne des guten Crusing Guides „Red Sea Pilot“ von Morgan & Davies hätten wir uns im Roten Meer wirklich wesentlich schwerer getan. Die Ankerplätze waren gut beschrieben und glichen die Defizite der Seekarten aus. Unsere elektronischen Seekarten waren zwar relativ genau, aber eben nur relativ. Einige zehn Meter Versatz können in dieser Gegend mit den vielen Riffen unangenehme Folgen haben. Die Marsas und Khors lagen alle im Westen und konnten nur sicher angelaufen werden, solange die Sonne noch hoch genug am Himmel stand. Die Einfahrten waren oft recht eng und links und rechts zog sich das Riff entlang. Bei gutem Licht war es gut zu sehen, aber eben nur bei gutem Licht. Kam man zu spät, war man auf die Hilfe derer angewiesen, die bereits sicher lagen und meterweise ihre elektronisch aufgezeichnete Route durchgaben. Auch bei der Ausfahrt am sehr frühen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, war die vorher aufgezeichnete Route eine gute Hilfe. Langschläfer, wie manchmal auch uns, bestrafte das blendende Licht und wir mussten uns meterweise auf der alten Route nach draussen tasten. Unser Vorausecholot, bislang kaum genutzt, kam hier zu neuen Ehren.

Ägypten

7. April bis 26. April 2008. Unsere „Segler-Bibel“ für das Roten Meer, der Red Sea Pilot, überschlug sich nicht gerade mit positiven Bemerkungen über Ägypten. Baksheesh (= Zwangstrinkgeld) sei an der Tagesordnung und wir Segler würden bürokratiegeplagt und kräftig zur Kasse gebeten. Wir stimmen dem zu, allerdings mit der Einschränkung, dass dies alles für uns erst ab Suez galt. Als wir in Port Ghalib eintrafen, wunderten wir uns noch über den schlechten Ruf. Alle waren freundlich in dem künstlich angelegten Areal, das einmal in der Endausbaustufe Massenurlaub für alle Klassen aus der Retorte versprechen soll. Trotz des Las-Vegas-Flairs mochten wir die Marina mit ihrer netten Promenade. Es gab endlich wieder Bier im TGI Fridays, im Hotel gegenüber konnten die Kinder den Pool benutzen und das Einklarieren in Ägypten ging ohne Probleme. Die Marina-Mitarbeiter waren allesamt sehr freundlich, aufmerksam und erstaunlich flexibel. „Kein Problem“, hieß es, als „Tradewind“ bei uns längsseits ging, anstelle in den einige hundert Meter entfernten Marinabereich für die Segelboote zu fahren (der für uns wg. unseres Tiefgangs nicht  in Frage kam). Und so lagen wir am Hauptkai, direkt neben den riesigen Motorbooten der Tauchsafari-Anbieter.

Angriff auf zu viel optische Perfektion im Reißbrett-Ferienidyll: Tradewind und Verena mit flatternder Wäsche am Hauptpier in Port Ghalib

Wir fanden es schön hier, nicht einmal der Staub von den Baustellen rund um die Marina störte uns, nur die vielen Fliegen. An Sand hatten wir uns die letzten Woche ausreichend gewöhnen können. Leider mussten wir weiter, wenige Tage vor dem großen Spektakel, das hier angekündigt war. Speedboat-Rennen, Konzert, Eröffnungsfeier, alles das fand ohne uns statt.

Wie Mini-Spaceshuttle sahen die Rennboote aus

Zuerst sollte sie wohl nicht sein, die Weiterfahrt. Tradewind war angesichts günstiger Windvoraussage bereits eine Stunde vor uns ausgelaufen, wir lagen noch am Tankpier und fragten mal nach, wie es denn da draußen so  sei, wettermäßig. Jeroen: „Seid Ihr noch im Hafen?“ Steffie: „Ja“ „Bleibt, wir kommen zurück.“ Auch hier zeigte man sich flexibel und nach gut 2 h lagen beide Boote wieder am selben Platz als wären sie nie weg gewesen. Nur beim nächsten Mal wollte man es uns dann nicht so einfach machen. Als wir um Mitternacht unser Auslaufen ankündigten, hieß es plötzlich: „Die Küstenwache ist dagegen“. Schließlich sei Tradewind schon einmal zurückgekommen, vielleicht sei es zu gefährlich, nachts auszulaufen und wir sollten bis morgens warten. Schließlich konnten wir den jungen Mann aber doch überzeugen, dass es weit gefährlicher sei, in der Nacht durch das Korallenriff in die Kiriazi Marina zu fahren und er ließ uns dann doch ziehen.

Die Kiriazi Marina in Safaga war unser nächster Stopp, den wir ohne die ausdrückliche Empfehlung von  Trans-Ocean-Stützpunkt in Safaga nicht angelaufen wären. Hier nochmals vielen Dank an Tom von Toms Diver House, der den Stützpunkt betreibt und uns vorab viele wertvolle Infos gegeben hat, und auch an Bea und Herbert von der SY Constellation, die ebenfalls in Kiriazi liegen. Die Kiriazi Marina ( 26°50’.162 N – 33°57’.302 E) ist keine offziell betriebene Marina. Kanal 16 wird nicht abgehört. Wir fuhren einfach rein und waren willkommen. Bea und Herbert bereiteten uns ein höchstwillkommenes Geschenk zur aktiven Reduktion unserer nicht willkommenen Mitsegler: vier wunderbare Fliegenfallen – und zum Abschied eine Luxor-Weisse. Ausserdem halfen sie uns Diesel zu tanken, zu etwa 0,30 ct/l anstelle der 115 ct/l in Port Ghalib.

Eine Marina fast für uns allein

Die Marina gehört zum (damaligen) Interconti Hotel Abu Soma und die Hotel-Anlage steht den Gästen der Marina zur Verfügung. Unsere Kids waren in ihrem Element: Kids Club, Swimming Pool – sie waren kaum gesehen. Alfred und Jeroen gingen tauchen, Sascha und Steffie schnorcheln, das erste Mal im Roten Meer. Wir waren begeistert und hätten es noch länger ausgehalten, wäre da nicht der Zeitdruck, der uns nach Norden trieb.

Da die Grib-Files, ansonsten relativ zuverlässige Wetterdaten, unserer Erfahrung nach im Roten Meer eher dem Blick in die Glaskugel gleichzusetzen sind, mussten wir trotz positiver Prognose zweimal in der Nacht einen Stopp einlegen. Die Ansteuerung unbekannter Ankerplätze in der Nacht und nächtliche Ankermanöver lieben wir besonders.

Schließlich landeten wir in Suez und mit der Liebe zu Ägypten war es bald vorbei. Captain Heebi von unserem Agenten Prince of the Red Sea half uns beim Anlegen am Pontoon und brachte uns eine riesige Schachtel voller Kuchen vorbei, anschließend wurden wir noch mit Eiscreme versorgt – das zum Thema „gesundes Frühstück“. Überhaupt können wir gegen den Agenten wenig sagen. Der Transit war gut organisiert, er hielt sich an die Abmachungen und wollte auch kein Baksheesh – im Gegensatz zu allen anderen, mit denen es wir zu tun hatten.

Wir fuhren von Suez aus nach Kairo. Schließlich hatte keiner von uns bisher die Pyramiden gesehen. Alfred, Lisa, Kilian u. Isabell quetschten sich den engen Gang hinunter, um eine kahle, leere Grabkammer zu besichtigen. Steffies Platzangst schützte sie davor, aber nicht von den penetranten Andenkenverkäufern, die sich –  einsames Opfer! – zwischenzeitlich auf sie stürzten. 

Pflichtprogramm: Die Pyramiden

Als Steffie hörte, dass es einen Carrefour Supermarkt in Kairo gab, wurden zum Leidwesen unseres Guide, der lieber das Baksheesh von den diversen Verkäufern diverser Touri-Shops eingestrichen hätte, alle anderen Aktivitäten gecancelled. Kampfshoppen war angesagt. Endlich wieder schönen Käse und Salami (plus Bier aus der Backskiste) für eine anständige Brotzeit. So rüsteten wir uns gut genährt der Kanaldurchfahrt. Apropos: Ernährung. Wer hätte das gedacht: Im Red Sea Hotel, neben dem Suez Canal Yacht Club, gab es zwar kein Bier, aber ein herrliches Wiener Schnitzel. Sogar Kilian, der normalerweise als Pseudo-Vegetarier durchs Leben schreitet, verputzt ein ganzes.

Zwei weitere Boote sollen mit uns durch den Kanal: die deutsche Santa Maria und die tschechische Karya. Ob die Piloten wirklich so fordernd sind, wie in dem Segelführer beschrieben? Der erste dieser smarten Jungs steht am Pier. Er soll auf Karya, ein 8 m kleines Segelboot. Gut zwei Stunden später steigt er auf „Verena“. Smart wie er war hatte er das größere Trinkgeld gewittert und flugs seinem unwissenden Kollegen das kleinere Boot zugeschanzt. So hatten wir wohl den Prototypen an Bord. „Schneller, schneller“, versuchte er Alfred trotz bereits 9,5 kn Geschwindigkeit zum Gas geben zu animieren und quittierte ein „Nein“, mit „Security first“, was auf der gesamten Passage zu seinem Mantra werden sollte, nur unterbrochen von der steten Mahnung doch mehr Gas zu geben oder dem ebenfalls mindestens einmal pro Minute vorgebrachten Selbstlob „Good Pilot! Best Pilot!“. Bei seinem Nachmittagsgebet kämpfte Steffie mit der Versuchung, ihn statt zum Teppich im Saloon in den Motorraum zu schicken; Deckel zu und fertig.

Entsprechend wenig wurden wir auch beim Anlegen in der Marina in Ismailia von ihm unterstützt, die zwar Bojen und einen Pier hat, aber keine Hilfe, welche die Leinen durch die tief liegenden Bojenösen zieht. Steffie wollte unseren Piloten schon den Mast hochziehen, hätten wir nicht die Zeit für das Anlegen benötigt. Die tatkräftige (und nicht wortgewaltige) Unterstützung anderer Segler half uns schließlich an den Steg. Dort lagen wir dann zwei Tage. Die eintägige Pause verursachten zwei Kriegsschiffe, die den Kanal passierten. Da wir als Freizeitfahrzeuge quasi als potentielle Terroristen gelten, mussten wir in der Marina bleiben, so die Erklärung. Am nächsten Morgen klopfte es um 6.30 Uhr morgens. Alfred klettert schlaftrunken heraus. „Sind Sie der Pilot?“ Schüchtern nickte er und gab uns noch eine halbe Stunde, bis wir schließlich fertig zum Ablegen waren. Die Boote vor uns mussten schon um 4.30 Uhr aus den Federn, hörten wir. Da hatten wir ja noch Glück! Überhaupt entschädigte uns Ahmed für den unangenehmen ersten Teil der Passage.

Ahmed, unser Super-Pilot in der letzten Hälfte des Suez-Kanals

Ein Traum-Pilot! Kein „schneller, schneller“. 7 Knoten waren ihm genug. Keine Forderungen oder Trinkgeldverhandlungen. Er nahm, was er bekam, zählte nicht einmal nach und sagte „Danke“. So geht es also auch.

Nachmittags erreichten wir Port Said – und fuhren daran vorbei. Good bye Ägypten, die Türkei ruft.